Dem Sportwettengeschäft haftet noch immer ein etwas zwielichtiger Ruf an. Nach einem Bericht von Radar, einem schweizerischen Anbieter von Sportintegrationslösungen, ist dies unbegründet. Die große Mehrheit der Sport-Events, genauer gesagt 99,5 Prozent, seien frei von Spiel- und Wettmanipulation.
In seinem Bericht schreibt Radar, die Zahl der gemeldeten Verdachtsfälle habe im Jahr 2022 erstmals die 1.000er-Marke überschritten. Die große Mehrheit der Sport-Events sei jedoch frei von Manipulation. Der in englischer Sprache verfasste Bericht weist aus, dass im abgelaufenen Jahr 1.212 verdächtige Spiele gemeldet wurden. Überwacht wurden über 800.000 Spiele, die sich auf 70 Sportarten verteilen.
Im Vergleich zum Jahr 2021 gab bei den Spielen, die als verdächtig gemeldet wurden, einen Anstieg von 34 Prozent. Gleichwohl sei der Prozentsatz an Spielen, die manipuliert wurden, weiterhin sehr gering, betont Sportradar in seinem Jahresbericht.
Die erhöhte Anzahl an verdächtigen Spielen sei kein Hinweis auf einen Anstieg der Manipulationsproblematik, schreibt Sportradar. Vielmehr sei der technische Fortschritt für die steigenden Zahlen verantwortlich. Beispielsweise habe es Fortschritte bei der Integration von künstlicher Intelligenz in das Detektionssystem UFDS (Universal Fraud Detection System) gegeben, das Sportradar vor einiger Zeit entwickelt hat.
Die Zahl der verarbeiteten Daten pro Spiel habe sich deutlich erhöht, schreibt der Dienstleister für Sportmedien und die Sportwettenindustrie weiter. Inzwischen würden einschließlich der Wettquoten, Umsätze und Statistikdaten 500 Faktoren einbezogen. Das UFDS gilt unter Experten als das führende Überwachungstool zur Aufdeckung verdächtiger Aktivitäten in Sport-Events.
Dass laut dem Sportradar-Report der Fußball die Sportdisziplin ist, in der am häufigsten manipuliert wird, ist wenig überraschend. Im Jahr 2022 seien fast zwei Drittel der verdächtigen Spiele auf diese Sportart entfallen. Im Jahr 2021, so Sportradar, habe der Anteil allerdings noch bei 77 Prozent gelegen.
Einen starken Anstieg der Verdachtsfälle verzeichnete der Dienstleister in den Sportarten Tischtennis und Basketball. In der letztgenannten Sportart sei die Anzahl der Spiele mit Manipulationsverdacht um 157 gestiegen. Im Tischtennis wurden im Vergleich zum Jahr 2021 immerhin 51 Spiele mehr als verdächtig gemeldet.
Außerhalb des Fußballs sei die Anzahl der verdächtigen Spiele weiterhin relativ niedrig, schreiben die Experten von Sportradar in ihrem Bericht. Es gebe jedoch die Möglichkeit, dass sich in diesen Sportarten der Trend der zunehmenden Verdachtsmeldungen verstärke.
Die Ergebnisse von Sportradar werden von Sportverbänden und Strafgerichten vermehrt dazu genutzt, um Sanktionen zu verhängen. Gegenüber dem Jahr 2021 ist deren Anzahl von 72 auf 169 gestiegen. Dies bedeutet einen Anstieg vom 135 Prozent.
Eine sportrechtliche Sanktion wird vom Sport selbst verhängt. Ein klassisches Beispiel ist das Vergehen des Eigendopings, das vor dem Gesetz nicht als strafbar gilt. Somit können auch nicht die Zwangsmittel des Strafprozesses angewendet werden. Zu den gängigen sportrechtlichen Sanktionen gehören Sperren und Geldstrafen. Auch Punktabzüge können den Sünder treffen.
Das deutsche Bundesinnenministerium (BMI) weist darauf hin, dass Manipulation eine der größten Bedrohungen für die Integrität des Sports ist. Die Wettskandale im Fußball hätten für Schlagzeilen gesorgt und eine breite Öffentlichkeit für dieses Thema sensibilisiert. Damit mögliche Manipulationen künftig nicht unentdeckt bleiben, hat das Ministerium im Mai 2022 eine zentrale Meldestelle für Manipulation von Sportwettbewerben in Deutschland eingerichtet.
Das neue Hinweisgebersystem beschränkt sich nicht auf bestimmte Sportarten, etwa auf den Fußball. Die Meldestelle, so das BMI, erfülle den Anspruch einer von den Sportverbänden unabhängigen und vertraulichen Anlaufstelle für organisierte Sportwettbewerbe. Über das Meldesystem können Hinweise übermittelt werden, die die Straftatbestände der Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben und des Sportwettenbetrugs betreffen.
Laut BMI bleiben die Hinweisgeber vollständig anonym, falls dies gewünscht ist. Strafrechtlich nicht relevante Hinweise mit dem Ziel einer sportrechtlichen Ahndung können mit Einverständnis des Hinweisgebers an den zuständigen Verband weitergeleitet werden. Ohne Einverständnis werden so lange keine Meldungen an Dritte oder das BMI weitergegeben, bis nach zwei Jahren das Ergebnis der Evaluation vorliegt.
Im Fußball kommt es immer wieder zu Wettskandalen, in die mehrere Akteure verwickelt sind. Der letzte aufgedeckte Skandal ereignete sich im Jahr 2005. Im Mittelpunkt stand der damalige Bundesliga-Schiedsrichter Robert Hoyzer, dem die Presse regelmäßige Kontakte zur kroatischen Mafia nachsagte. Nachdem der Referee ein Geständnis abgelegt hatte, wurden die ersten Verdächtigen festgenommen. Wegen Beihilfe zum Betrugs erhielt Hoyzer letztlich eine Haftstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten ohne Bewährung.
In der Saison 1970/71 kam es ebenfalls zu einer Affäre, an der zahlreiche Trainer, Spieler und Funktionäre beteiligt waren. Die Spielverschiebungen hatten zum Ziel, den Clubs Rot-Weiß Oberhausen und Arminia Bielefeld den Verbleib in der ersten Liga zu ermöglichen. Ein Tonband überführte schließlich die beteiligten Akteure. Zu ihnen gehörten bekannte Spieler wie Klaus Fichtel, Stan Libuda und Klaus Fischer.