Immer mehr Menschen nutzen die Angebote von Online-Buchmachern und -Glücksspielanbietern, um sich zu entspannen und nebenbei ein paar Euro zu gewinnen. Forscher der Universität Hohenheim bei Stuttgart vertreten inzwischen die Ansicht, dass das „Gambling“ ebenso wie Sportwetten inzwischen als normale Freizeitaktivität wahrgenommen werden.
An der Universität Hohenheim findet einmal jährlich ein Symposium zum Thema Glücksspiel statt. Die Hochschule hat vor einiger Zeit eine Forschungsstelle eingerichtet, die sich eng mit diesem Themenfeld auseinandersetzt. Im Vorfeld der diesjährigen Veranstaltung sagte der Leiter der Forschungsstelle für Glücksspiel, Steffen Otterbach, dass die zunehmende Präsenz von Werbung zu einer Normalisierung von Sportwetten und Online-Glücksspiel führe.
Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) sagte Otterbach, dass junge Menschen mehr Zeit im Internet verbrächten und deshalb vermehrt der Glücksspielwerbung ausgesetzt seien. Insbesondere Kinder und Jugendliche, so Otterbach, würden von der Werbung angesprochen. So würde diese Altersgruppe schon früh an das Thema herangeführt. Während ihrer Internet-Zeiten seien sie nicht von Glücksspielwerbung fernzuhalten.
In der Legalisierung des Online-Glücksspiels in Deutschland sieht Otterbach ein Problem. Seitdem der Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) im Jahr 2021 in Kraft getreten sei, habe die Glücksspielwerbung zugenommen. Der Staatsvertrag habe zwar das Ziel, Spielsucht zu verhindern. Auf der anderen Seite lasse er aber vermehrt Glücksspielwerbung zu.
Der Juli 2021 markierte einen Wendepunkt im deutschen Online-Glücksspiel. Bis zum Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags bewegte sich das „Gambling“ in einer rechtlichen Grauzone. Der Großteil der Spielanbieter operierte mit einer Glücksspiellizenz aus Malta oder von der Karibikinsel Curacao. Heute muss jeder Anbieter, der legal am lukrativen deutschen Glücksspielmarkt teilnehmen möchte, eine Lizenz der neu geschaffenen Regulierungsbehörde GGL (Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder) vorweisen.
Ein Werbeverbot wird in der europäischen Glücksspielbranche schon seit Jahrzehnten diskutiert. Einige Länder haben ein solches Verbot bereits umgesetzt. So tritt in Belgien am 1. Juli 2023 ein Werbeverbot für Glücksspielanbieter in Kraft. Das Verbot umfasst sämtliche Formen der Werbung für Glücksspielunternehmen – sowohl online als auch offline. Der einzige verbliebene Anbieter, der noch Werbung betreiben darf, ist die nationale belgische Lotterie.
Damit sich der Glücksspielsektor an die neuen Richtlinien gewöhnen kann, ist für den Sportwettensektor eine Übergangszeit vorgesehen. Die Anbieter dürfen ab dem 1. Januar 2025 keine Werbung in Sportstadien mehr zeigen. Zudem dürfen Buchmacher ab dem 1. Januar 2028 keine Sportmannschaften mehr sponsern.
Wie nicht anders zu erwarten, wurde das Verbot in Belgien von der gesamten Branche harsch kritisiert. Zu den Kritikern zählt auch der Deutsche Sportwettenverband (DSWV). In einer Mitteilung hieß es, dass Glücksspielwerbung eine hohe Bedeutung für die Kanalisierung der Spieler in den legalen Markt habe.
In Italien habe sich gezeigt, dass ein vollständiges Verbot der Glücksspielwerbung bewirke, dass die Teilnahme der Spieler am legalen Glücksspielmarkt sinke. Anders formuliert: Darf für legale Angebote nicht mehr geworben werden, wenden sich die Spieler und Sport-Tipper illegalen Angeboten zu. Der Schwarzmarkt, so der DSMV in seiner Mitteilung, werde durch ein solches Verbot gefördert.
Auf dem Symposium in Hohenheim führte Otterbach weiter aus, dass die Werbeproblematik nicht schnell und einfach lösbar sei. Es sei eine gesellschaftliche Frage, wie viel Glücksspiel zugelassen werden sollte. Der Forscher hält es für wichtig, den neuen deutschen Glücksspielstaatsvertrag und seine Auswirkungen „auf wissenschaftlicher Basis zu überwachen“.
Bei den inzwischen gesetzlich vorgeschriebenen Spielsucht-Früherkennungssystemen sieht Otterbach Handlungsbedarf. Die Forschungsstelle Glücksspiel der Uni Hohenheim habe Untersuchungen durchgeführt, die darauf hinwiesen, dass die Vorhersagekraft der Modelle nicht in jedem Fall zuverlässig sei. Es könne daher Glücksspieler geben, deren problematisches Spielverhalten nicht erkannt werde.